Machtspielchen
„Entscheidend ist nicht die Frage, ob man Macht hat, entscheidend ist die Frage, wie man mit ihr umgeht.“
Alfred Herrhausen
Erinnerung
„Und wenn du einen Kuchen hast so groß wie Mühlenstein und Schokolade auch dazu, dann lad uns alle ein.“ Das war einfacher gesungen als getan. Ich durfte an meinem fünften Geburtstag das erste Mal Kinder aus dem Kindergarten einladen. Ein Mädchen meiner Gruppe war sehr dominant und bestimmte, wer mit wem befreundet sein durfte. Natürlich legte sie auch fest, wer zu den Geburtstagen eingeladen wurde. Was für ein machtvolles Gebaren. Als ich meiner Mutter erzählte, dass meine Freundin Kati leider nicht kommen konnte, weil die Bestimmerin dagegen war, fragte sie mich, wessen Geburtstag denn gefeiert würde. Sie machte mir klar, dass natürlich ich ganz allein entscheiden durfte, wen ich einlade und wen nicht. Da hatte ich den Salat. Ich mochte Kati am liebsten, hatte aber auch große Sorge von der Bestimmerin ausgeschlossen zu werden. Im Zweifelsfall, wenn ich rumeiern würde, hätte ich sogar beide gegen mich. Das alles waren damals mit 5 Jahren noch keine bewusst reflektierten Gedanken, doch es waberte im Bauch herum. Am Ende holte ich irgendwo den Mut her und entschied mich für Kati. Die Bestimmerin war perplex und beleidigt. Seit diesem Tag spielten wir aber ein bisschen mehr miteinander.
Erfahrung
Eine junge Frau kam zu mir in die Supervision. Sie hatte neu bei einem großen freien Träger als Qualitätsmanagementbeauftragte angefangen, gehörte zum Leitungsteam und war sehr motiviert. Ihre Position gab es vorher noch nicht, so dass ihre Rolle und Aufgabenbereiche nur ungenau definiert waren. Sie versuchte den Betrieb in den unterschiedlichen Abteilungen kennenzulernen und sich ein Bild zu machen. Das Thema Qualitätsmanagement war äußerst unbeliebt und die Mitarbeiter*innen, durch ihre Geschichte und wenig Flexibilität geprägt. Sie versuchte sich über fachlich, inhaltliche Themen anzunähern, bot Gespräche an und begleitete die Mitarbeiter*innen. In der Supervision beschäftigten wir uns besonders mit ihrer Rolle und sie reflektierte ihr Verhalten in verschiedensten Zusammenhängen.
Mehrere geschilderte Situationen zeigten deutlich, dass es intrigantes Verhalten gegen sie gab. Normalerweise ist die richtig große, clevere Intrige eher eine Ausnahme. Verbreiteter sind kleine Schwindeleien, Verdrehungen und Halbwahrheiten. Sie werden benutzt, um sich nicht bewegen zu müssen oder selbst beruflich aufzusteigen.
Häufig besprach sie mit Kolleg*innen Inhalte, stand dann aber bei der Präsentation der Ideen allein da. Die Entwürfe wurden weggewischt oder sich unwissend gestellt. Das war für sie sehr blamabel und schambesetzt.
Um solche Verhaltensweisen vorher zu erkennen und einzuordnen, schauten wir uns Anzeichen für Intrigen und Machtdemonstrationen an. Dazu gehören Ausstechen mit unfairen Mitteln, Verbreitung von Gerüchten, Anschwärzen, Falschinformationen geben oder Informationen gar nicht erst weitergeben und auch direkt zu Fehlern zu veranlassen. Diese üblen Machtspielchen finden zumeist unter gleichrangigen Kolleg*innen statt, werden oft verdeckt geführt und dadurch recht spät bemerkt.
Hinzu kamen Machtdemonstrationen eines Leitungskollegen. Er setzte sich gern an ihren Schreibtisch, hielt Monologe und durchwühlte ihre Unterlagen. Vor allem in Meetings überschritt er die Grenzen meiner Klientin, unterbrach sie und machte ihre Arbeit lächerlich. Weil er schon sehr lange beim Träger war, besaß er eine Art Informationsmonopol.
Das Klima war insgesamt von Misstrauen und verfeindeter Grüppchenbildung geprägt. Da kam man nicht so einfach rein. Es entstand eine hohe Abhängigkeit und Verunsicherung bei meiner Klientin.
Wir überlegten, wann diese Machtspielchen stattfinden, wer mitspielte und worum jeweils gespielt wird? Eine Fülle an Themen zeigte sich: Verantwortung, Anerkennung, Entwertung, Komfortzonenverlust, Kontrolle, Sicherheit, Ordnung, Kontinuität und Angst Ansehen zu verlieren. Vor allem ging es darum, wie sie sich schützen könnte. Jedenfalls war professionelle Distanz und Vorsicht geboten.
Kennen Sie Machtspieler? Diese haben ihre eigenen Regeln. Unter „Experimente“ finden Sie Möglichkeiten und hilfreiche Aspekte für den Umgang mit solchen Situationen.
Für die junge Frau fielen leider jegliche Bemühungen einen konstruktiven Weg zu finden, auf unfruchtbaren Boden. Auch das Einschalten der oberen Leitungsebene konnte keine Lösung herbeiführen, so dass sie nach gut einem Jahr den Träger verließ und sich beruflich anders orientierte.
Sie sind in einer verantwortungsvollen Position und möchten sich mit dem Thema Macht auseinandersetzen?
Experiment
Schauen Sie sich Ihr Betriebsklima an. Wo viel Raum ist für Konkurrenz, Neid und Missgunst, da gedeihen Machtspielchen wie Intrigen und Machtdemonstrationen besonders gut. Doch diese müssen Sie erst einmal erkennen. Wie können Sie das tun?
Intrigen
1.
Registrieren Sie die Indizien
Herrscht an Ihrem Arbeitsplatz eine Atmosphäre von Misstrauen und Konkurrenz? Beobachten Sie ganz genau und beanstanden Sie die Art und Weise des Geredes.
2. Misstrauen Sie Gerüchten
Gerüchte sind sehr machtvoll. Der Umgang damit ist heikel. Gibt es wenig Transparenz, blühen Gerüchte im Sinne von: „An irgendetwas muss man sich ja halten.“ Natürlich werden Sie nicht ganz weghören können, aber glauben Sie nicht alles, was erzählt wird. Tragen Sie Gerüchte niemals weiter. Und fragen Sie sich bei jedem Gerücht: Wem nützt es? Wer kann davon profitieren? Wer hat einen Vorteil, wenn es geglaubt wird? Vor allem, wenn Ihnen etwas „im Vertrauen“ erzählt wird, sollten die Alarmglocken läuten. Wer Geheimnisse ausschwatzt, ist nicht vertrauenswürdig. Unterbrechen Sie die Plaudertasche: „Warum erzählst du es mir dann?“ Damit schaffen Sie eine gute Basis, nicht selbst zum Opfer zu werden. Haben Sie den Eindruck über Sie wird gelästert, fragen Sie offensiv: „Geht es um mich? Sicher kann ich bei der Klärung unterstützen.“
3. Entlarven Sie Desinformationen
Eine Methode sind Gerüchte. Auch Informationen zurückzuhalten gehört dazu. Eine besonders geschickte Art der Desinformation ist, Sie mit einer Informationsfülle zu überschütten. So können Sie kaum unterscheiden, worum es geht, was wichtig, unnötig oder gar irrelevant ist.
4. Ändern Sie die Spielregeln im Machtspiel. Reden Sie ein „ernstes Wort“.
Reagieren Sie nicht auf dem gleichen Niveau. Gehen Sie ins Gespräch und versuchen Sie höflich, bestimmt und klar zu sagen, was Sie zu der Situation denken. Überlegen Sie gemeinsam, was die Person davon hätte, wenn sie ihr intrigantes Verhalten beenden würde. Möglicherweise können Sie ihr sogar helfen, einen anderen Weg zu finden und sich kollegialer zu verhalten.