Gedanken kramen

Konfliktsituation im Team  
"Der schmale Grat"

Erinnerungen

Ich hatte das Glück in einer sehr großen, bunten Familie aufzuwachsen. Wobei ich die Ursprungsfamilie meiner Mutter zum Bildungsbürgertum und die meines Vaters zum Proletariat zuordnen würde. Dementsprechend unterschiedlich wurde kommuniziert, gefeiert und gescherzt. So lernte ich verschiedene Arten von Humor kennen. Fröhlich war es allemal.

Um die Ecke denken, immer neue Geschichten und Witze erzählen, Fratzen und Grimassen schneiden können, all das war in unserer Familie wichtig und wir übten gemeinsam mit unseren Eltern.

Humor bedeutet auch, sich selbst und die Umstände auf die Schippe nehmen. Das konnten viele Menschen in der ehemaligen DDR ganz gut.

Wir Kinder liebten Komiker und lachten uns über bestimmte Serien schief. Besonders gut gefielen uns „Herricht & Preil“, „Die Olsenbande, „Oh diese Mieter“, Louis de Funès, Pierre Richard, später natürlich Loriot und Mr. Bean.

Wenn wir uns bei Familienfeiern herzlich amüsierten, sagte meine Oma: „Ach Line, wir haben den gleichen Sinn!“ Ich wusste gar nicht so genau was das bedeutete, bekam aber das Gefühl dazuzugehören und das war wunderbar.

Im digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache wird Humor mit “heiterer Gelassenheit als Grundhaltung gegenüber dem Dasein, Sinn für Komik, gute Laune, fröhliche Stimmung.“ beschrieben.

Diese lebensbejahende Haltung hilft in vielen Momenten und auch bei der Betrachtung von problematischen Situationen, ohne diese ins Lächerliche zu ziehen.

Fallbeispiel

Wir verwenden einen Spiegel, um unser Gesicht zu sehen. Wir brauchen Kunst, um unsere Seele zu sehen.

G. B. Shaw

Einmal kam ein Kita-Team zu mir in die Supervision. Sie wollten Konfliktsituationen mit einer ehemaligen Kollegin reflektieren. Diese hatte die Kita nach wenigen Monaten verlassen.  

Ich schlug Ihnen vor, das Geschehene anhand der Theatermetapher* zu untersuchen. Das Bild vom Theater hilft die Problematik aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren. Das Thema wird benannt, überlegt welche Story aufgegriffen wird, auf welchen Bühnen das Stück stattfindet, welche Rollen es gibt und wer mitspielt. Natürlich gibt es einen Spannungsbogen innerhalb der Erzählung und wichtig ist, wer die Regie führt.

Durch diese Methode kann Komplexität entwirrt und strukturiert werden. Es entstehen Bilder, Symbole können genutzt werden und eine Mehrperspektivität wird hergestellt.

Das Kita-Team nannte ihr Stück „Der schmale Grat“. Sie waren sich einig, dass es ein Drama war. Die Rollen wurden verteilt und Charaktere beschrieben. Schon die Namenssuche war sehr erheiternd und bei der Diskussion über die Eigenschaften gab es viele AHA Momente.

  • Name: Die Harmonie
    Charakter: neutral, vermittelnd, professionell, mit einer gesunden Distanz.  
  • Name: Der Schlichter
    Charakter: offen, schlichtend, eben der Kummerkasten.
  • Name: Die Sachliche
    Charakter: fachlich, klar, kühl, hatte eine gesunde Distanz, auch mal aufgewühlt.
  • Name: Der Boss
    Charakter: im Grunde außen vor, trotzdem mächtig, wurde aber als neutral und höflich beschrieben. Außerdem hatte er nur einen kurzen Gastauftritt.
  • Name: Der Ohrenkneifer
    Charakter: überemotional, Ich – bezogen, harmoniebedürftig und unprofessionell.
  • Name: Die Stille
    Charakter: offen, kontaktfreudig, harmonisch und unwissend, weil sie zumeist nicht dabei war.
  • Name: Nichtanwesende
    Charakter: direkt. Nur kurze Gastauftritte.
  • Der Spannungsbogen wurde diskutiert. Er schwang sich heftig Auf und Nieder. Wobei die Situation am Ende eskalierte und rapide abwärts ging. Regie führte „Die Harmonie“.

Nun wurde die Story erzählt und verschiedene Situationen betrachtet. Außerdem wurde genau analysiert, wie die Vorführung auf der Vorder,- Hinter,- und Unterbühne verlief.

Es wurde darüber nachgedacht, welchen Anteil der Träger hatte. Welche Emotionen bei den Mitspieler*innen ausgelöst wurden und wie damit umgegangen wurde. Mit welchem Rollenverständnis jeder in die Situationen ging und ob die Rollen sinnvoll besetzt waren.

Bei der Einarbeitung der neuen Kollegin, funktionierte zu Beginn alles gut. Aber dann gab es Irritationen, die Aufsichtspflicht wurde nicht ernst genommen, Pausenzeiten verlängert, es gab viele Missverständnisse und „Gemotze“. Verhaltensweisen wurden beschrieben, die als unangemessen und unprofessionell bewertet wurden. Der Träger war nicht erreichbar oder hielt sich bedeckt. Team und Leitung fühlten sich nicht gut begleitet.

Interessant waren die Überlegungen, was das außenstehende Publikum hätte beobachten können und welche Außenwirkung sie als Kita, als Team hatten.

Während der Betrachtung kristallisierte sich schnell die Frage „Wie arbeiten wir neue Kolleginnen ein?“ heraus. Am Ende entwickelt das Team Konsequenzen und Ideen, wie sie in Zukunft mit diesem Thema umgehen und was sie dazu mit dem Träger besprechen wollten.

Die Distanz in der Betrachtung war hilfreich, denn die Zuschauer können mehr sehen als die Handelnden selbst. Dieser Blick entlastet, macht großen Spaß, erlaubt kreativ zu sein, erleichtert und bringt fröhliche Stimmung. Jedenfalls wurde viel gelacht und diese Supervision blieb in den Köpfen.

Arbeit mit der Theatermetapher

Haben Sie Lust die Arbeit mit der Theatermetapher auszuprobieren?

Diese Methode habe ich bei Bernd Schmid & Katja Wengel vom Institut für systemische Beratung gefunden.

Die Vorführung findet auf der Vorderbühne, der Hinterbühne und im Zuschauerraum statt.

Auf der Vorderbühne wird das Stück nach Regieanweisung gespielt. Hier agiert der Träger oder die Organisation. Wie ist die Struktur beim Träger? Wie regeln Verfahren und Ordnung die Beziehungen und die Kommunikation? Ist Innovation möglich?

Auf der Hinterbühne kooperieren und interagieren die Schauspieler. Sie setzen durch ihr Tun Handlungsrichtlinien. Grundsätze des Umgangs werden ausgehandelt und Kompromisse im täglichen Miteinander gefunden. Hier entstehen die Beziehungen.

Die Unterbühne befindet sich unterhalb der Organisation und der Gemeinschaft. Hier ist die Asservatenkammer für persönlichen Gefühle. Auch die ungeliebten, vielleicht schambesetzten Gefühle und Handlungsmuster wie z.B. Hass, Rache, Verleumdung, Wut, Neid etc. sind zu finden.

Diese werden nicht den Menschen zugeordnet, sondern der Organisation, die somit eine stärkere Bedeutung bekommt. Das heißt, jede Organisation hat eine solche Unterbühne. Menschen füllen sie durch verschiedene Szenen und ein eigenes Theaterstück entsteht.

Zunächst finden sich alle Klienten und Mitarbeiter*innen gemeinsam im Zuschauerraum mit Blick zur Bühne. Sie sehen „ihr“ Stück und reflektieren es.

Folgende Fragen können Sie durch die Methode führen:

  • Um welches Thema geht es?
  • Wie lautet der Titel des Stückes, das gespielt wird?
  • Um welches Genre handelt es sich? Eher um eine Komödie, eine Tragödie, ein Konversationsstück oder absurdes Theater?
  • Welchen Ausschnitt aus dem Gesamtstück wollen Sie betrachten?
  • Auf welcher Bühne bewegen Sie sich (in der Kita/Schule, beim Träger, im Außen etc.) und ist diese Bühne die richtige für das Thema?
  • Schiebt sich vielleicht ein anderes Thema in den Vordergrund oder wirkt im Hintergrund?
  • Was steht im Vordergrund der Aufführung? Die inneren Beweggründe oder die äußeren Zusammenhänge?
  • Wie verläuft der Spannungsbogen? Nach welcher Dramaturgie ist das Stück aufgebaut?
  • Was geschah zuvor und wie spitzt es sich jetzt zu?
  • Wieviel Spielraum haben Sie? Sind die Szenen räumlich eng oder weit? Welche Auswirkungen hat das und wie fühlt sich das an?
  • Nimmt die Geschichte, einen anderen Verlauf als gewollt oder zu erwarten war?
  • Welchen Anteil hat der Träger?
  • Wer spielt mit?
  • In welcher Rolle sind sie in der konkreten Situation? Wollen und können sie diese Rolle spielen?
  • Welche Rolle im Stück spielt der Klient und welche Rolle spielen die anderen?
  • Mit welchem Rollenverständnis geht jeder in die Situationen?
  • Sind die Rollen sinnvoll besetzt? Haben die Rollenträger genug Wissen über Abläufe, um die Rolle gut ausfüllen zu können? Müssen die Rollen an die Anforderungen angepasst werden?
  • Welche Emotionen werden bei den Mitspieler*innen ausgelöst und wie wird damit umgegangen?
  • Braucht es eine andere Art des Umgangs miteinander?
  • Wie lauten die Regieanweisungen? Von wem stammen sie?
  • Wie lautet der Subtext einzelner Figuren?
  • Gibt es eine Souffleuse?
  • Was beobachtet das außenstehende Publikum? Welche Außenwirkung entsteht?
  • Wer ist alles am Gelingen der Aufführung beteiligt und auf welche Weise?
  • Wie kann das Stück weitergehen? Wie soll es Enden? Wer oder was ist dafür nötig?

Viel Spaß beim Ausprobieren! 

Ich liebe es, Theater zu spielen. 
Es ist so viel realistischer als das Leben.

Oscar Wilde

Sie möchten sich auch in der Supervision reflektieren? 

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