Selbst bestimmen - gut oder böse?
Denn wir wissen, was wir tun!
Eine Erinnerung
Ich war 22 Jahre alt und Erzieherin in einer Kita mit 60 Kindern. Im Sommer wurde fast der gesamte Tagesablauf in den herrlichen Garten verlegt. Entdecken, planschen, spielen, essen: einfach wunderbar.
Doch dann gab es eine schreckliche Situation, die mich als junge Kollegin sehr gefordert hat.
Mittags rief die Krippenkollegin ihre Kinder zusammen. Sie wollte vor dem Essen alle Kinder sauber und frisch gewickelt haben. So stellte sie sie ins Planschbecken und wusch sie. Mit Freude goss sie den Kindern kleine Wassereimer über den Kopf. Nicht alle Kinder mochten das. Vor allem ein Kind weinte bitterlich. Ich war tief erschüttert. In der Nacht tat ich kein Auge zu. Die Härte der Kollegin und das ängstliche Weinen des Kindes, ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Dass ich feige zugesehen hatte, machte mich zusätzlich wütend und verzweifelt. Am nächsten Tag fragte ich das Kind, ob es baden wolle. Es konnte noch nicht sprechen, schüttelte aber heftig den Kopf. Also nahm ich es auf meinen Schoß. Die Erzieherin konnte es nicht mitnehmen und war am Ende sehr böse mit mir. Das Kind war gerettet.
Bis heute begegne ich immer wieder Menschen, die ausgelaugt und desillusioniert in ihrer Arbeit sind. Sie können die ihnen anvertrauten Menschen nicht (mehr) aushalten. Dementsprechend harsch, ungerecht und verbittert verhalten sie sich. Die Gründe sind vielfältig und es wäre eine gute Prävention, regelmäßig die Möglichkeit zur Entlastung und Reflexion zu bekommen.
Eine Erfahrung
Ich treffe auf Teams, in denen sehr viele Charaktere zusammengewürfelt sind. Wenn es blöd läuft, gibt es Intrigen, Intoleranz, Besserwisserei, Rechthaberei und vergiftete Beziehungen.
Ein Hort Team, das ich supervisorisch begleitete, kam einfach nicht zueinander. Ständige Konflikte mündeten zumeist in Personalwechsel. Das laugt aus. Eine erfahrene Person in diesem Team war besonders negativ eingestellt. Sie verbreitete Angst, nörgelte, war stets unzufrieden und besonders Lösungsvorschläge oder Ideen wurden unmöglich gemacht. Griesgrämig schwamm sie in ihrem kleinen Sumpf und war dabei so machtvoll, dass sie vor allem jungen Kolleg:innen regelmäßig mit hinunterzog. Während der Supervisionssitzungen wurden Kommentare gezischt, hämisch gekichert und boshafte Blicke geworfen.
Mein geschätzter Kollege Supervisor Prof. Dr. Stefan Busse fragt „Wie kann ich solche Beobachtungen zur Sprache bringen, so dass ich eine Position beziehe, das Handeln als Böse markiere, den Betroffenen schütze und dem Grenzverletzer trotzdem Autonomie lasse, so dass er Verantwortung übernehmen kann und nicht in den Widerstand gehen muss.“*
Das ist die Kunst in der Supervision. Bisweilen gelang es mir. Hintergründe, Erwartungen und Bedürfnisse konnten ausfindig gemacht werden. Es gab allerdings nur bescheidene Chancen, ins Gespräch zu kommen. Vieles blieb in den Köpfen.
Natürlich ist alles irgendwie erklärbar und zumeist sind Verhaltensweisen gut begründet.
Nur, ist in uns nicht immer eine Stimme, die genau weiß, was gut und böse ist? Wie wir uns verhalten, entscheiden wir ganz allein und jeder Mensch ist verantwortlich für das, was er tut oder auch nicht tut. Wenn „er für nichts etwas kann“, muss ich ihn auch nicht ernst nehmen. So verliert er eine gehörige Portion Selbstbestimmung.
Grundsätzlich glaube ich an das Gute im Menschen. Ist das naiv? Vielleicht.
Doch was nutzt es uns denn, etwas als Böse zu betiteln?
Auf das Böse können wir verzichten, aber wir brauchen die Definition davon. So haben wir ganz alltagspraktisch eine Orientierung, was gut ist und wo die Grenze ist. Was geht und was nicht geht. Ganz banal, ganz pragmatisch. *
*Inspiriert durch den Fachvortrag von Prof. Dr. Stefan Busse auf der Fachtagung „Supervision jenseits von Gut und Böse?
Sie brauchen Supervision für sich oder Ihr Team?
Die vier apokalyptischen Reiter
Vorboten, auf die es zu achten gilt
John Gottman (amerikanischer Paartherapeut) hat bei seinen Forschungen vier Faktoren herauskristallisiert. Sie schleichen sich ein und wirken sich so schädigend aus, dass die Beziehung dauerhaft verletzt wird. Er nennt sie in Anlehnung an die Bibel, die „vier apokalyptischen Reiter“. Hier kündigen diese Reiter den Weltuntergang an.
Auch wenn diese Faktoren für Paarbeziehungen gelten, finde ich es im Arbeitskontext hilfreich, auf diese Vorboten zu achten. Sie zeigen, dass es kriselt und Schwierigkeiten in der Beziehung bestehen.
1. Verletzende Kritik
Verletzende Kritik, die als persönlicher Vorwurf generalisierend und abwertend formuliert wird, die Schuld und Versagen impliziert. Die Persönlichkeit wird durch negative Aussagen zum Charakter direkt angegriffen. („Das ist so typisch für dich, immer denkst du nur an dich.“ „Dauernd bist du verpeilt. Klar bei dir funktioniert ja nie etwas.“)
Achtung, das ist nicht zu verwechseln mit einer Beschwerde. Hier geht es um ein bestimmtes Verhalten, einen konkreten Vorfall. Eine Beschwerde ist eher beschreibend und ist bezogen auf eigene Gefühle oder Bedürfnisse. („Du wolltest doch das Bastelangebot vorbereiten. Es ärgert mich, dass du es vergessen hast.“)
2.Verachtung
Verachtung wird oft ausgedrückt durch Sarkasmus und Zynismus, aber auch durch Verfluchen, Augenrollen, Verhöhnen und respektlosen, abschätzigen Humor. Der gefährlichste Reiter!
Er wirkt vergiftend auf die Beziehung. („Na das hast du ja wieder super hingekriegt.“ „Was ist das denn wieder für eine komische Idee?“)
3.Rechtfertigung
Wenn eine Kritik geäußert wird, ist Rechtfertigung eine häufige Reaktion, vielleicht wird sogar in den Gegenangriff gegangen. („Wieso, was habe ich damit zu tun? Das Problem liegt doch wohl bei dir.“ Das heißt: „Mach doch was du willst, ich habe damit nicht zu tun.“)
Angebrachter ist, auf die Kritik einzugehen, herauszufinden, was gemeint ist und gemeinsam nachzudenken, wie mit der Problematik künftig umgegangen werden kann.
4.Rückzug
Es wird sich zurückgezogen oder der Kontakt abgebrochen. Verbal oder auch körperlich. Es gibt keinen Blickkontakt, kein Nicken, keine Erwiderung. Ein stummes Hoffen, dass irgendetwas passiert. Gleichgültigkeit wird demonstriert. Auswirkungen sind Ärger, Frust und Hilflosigkeit. Der Austausch ist verhindert, die Verbindung bricht zusammen.
In allen Stufen geht es um die Demonstration der eigenen Macht. Sicher auch darum Ohnmachtsgefühlen entgegenzuwirken. Am Ende gibt es kein Interesse mehr an einer guten Beziehung. Es wird keine Rücksicht mehr genommen. „Du kannst mir gar nichts. Ich bin dir sowieso überlegen.“
Welche Möglichkeiten gibt es Abwärtsspiralen zu vermeiden?
- Wichtig ist, eine Bewusstheit für Situationen im Alltag zu schaffen.
- Beschäftigen Sie sich mit sich selbst.
- Beobachten Sie andere in Ihrem Verhalten.
- Überlegen Sie, in welcher Situation ist Ihr gegenüber?
- Was könnte das Verhalten mit Ihnen zu tun haben oder hat es eben nichts mit Ihnen zu tun?
Am Wichtigsten:
Suchen Sie so schnell wie möglich klärende Gespräche.