Gedanken kramen

Pipapo

Dilemma der Kommunikation

Eine Erinnerung

Als junge Sozialpädagogin war ich in der Schulsozialarbeit tätig. In dieser Rolle nahm ich an einer Hilfekonferenz teil. Die Sozialarbeiterin vom Jugendamt eröffnete die Beratung. Sie stellte alle Teilnehmenden namentlich vor. „Ich begrüße Frau… und Frau …. und den Schüler… und die Eltern… Als sie die Schulleiterin benennen wollte, stockte die Sozialarbeiterin kurz, dann sagte sie: „…und Pipapo.“ Offenbar war ihr der Name der Schulleiterin entfallen. Nach dieser Begrüßung ging sie einfach zur Tagesordnung über. Was für ein Fauxpas! Ich war irritiert, hatte niemand dieses Missgeschick bemerkt? Nein, keine Regung, die Hilfekonferenz verlief nach Plan.

Ich dachte lange darüber nach, ob die Menschen nicht zugehört haben, unaufmerksam und mit sich beschäftigt waren oder nahmen Aufregung und Unsicherheit überhand. Für mich war es ein Schlüsselmoment. Seitdem bereite ich mich möglichst gut vor, versuche konzentriert zuzuhören und vor allem, meine Worte so gründlich wie möglich zu wählen.

Eine Erfahrung

Woher soll ich wissen was ich denke, bevor ich höre was ich sage…
Es gibt ganz schön viel Geplapper. 

„Wenn ich es recht bedenke, wird in Supervisionssitzungen an und für sich meistens. Manchmal fallen da Ausdrücke im Eifer des und ja, da kann schon mal passieren, wenn man so. Da wird auch um Worte und es werden Phrasen. Es wird einfach durcheinander. Und dann sagt die eine Kollegin und die andere redete ihr sofort. Eigentlich erwiderte sie ständig. Im Endeffekt kommen sie einfach nicht auf den. Das Hauptproblem ist, dass alle aneinander vorbei.“

Meine Aufgabe als Supervisorin ist, den Aussagen zu folgen, versuchen sie zu verstehen, zu übersetzen und zu strukturieren. Was für eine Herausforderung. Mir hilft vielleicht, dass ich selbst eine Sprechdenkerin bin. Das bedeutet, viele Gedanken entstehen direkt während des Gesprächs und ich muss die Worte unmittelbar beim Sprechen konzentriert sortieren.

Oft berichten Supervisionsteilnehmer*innen von dem Gefühl, kein Gehör zu finden, nicht verstanden zu werden. Da kann ich beruhigen, denn das liegt in der Natur des Menschen. Wir sind unterschiedlich, im Denken, im Fühlen, im Formulieren, im Sein. Da sind Verständnisschwierigkeiten normal. Dennoch können wir einige mögliche Hindernisse und Gründe beleuchten:

  • Sprechen Sie die gleiche Sprache? Hier geht es nicht nur um Sprachbarrieren mit Fremdsprachler*innen. Auch im übertragenen Sinn, kann es nützlich sein zu prüfen, ob Sie die gleichen Dinge meinen und verstehen. Manchmal spielen auch geschlechtsspezifische Unterschiede eine Rolle.
  • Sagen Sie deutlich was Sie meinen? Drücken Sie sich klar aus? Sprechen Sie oder die anderen Gesprächspartner*in die Themen direkt an? Nutzen Sie Füllwörter und Weichmacher, so dass die Aussage verschwommen sein könnte?
  • In welcher Verfassung ist Ihr Gegenüber? Sind Angst oder andere störende Emotionen im Raum? Gibt es vielleicht schlechte Erfahrungen, die das Gespräch negativ beeinflussen könnten? Nicht erfüllte Grundbedürfnisse wie Müdigkeit, Hunger, Durst, aber auch Schmerz oder ein Leistungstief können die Kommunikation stören.
  • Überprüfen Sie hinderliche Einflüsse und Rahmenbedingungen wie Lärm, Raumtemperatur, Störungen z.B. durch Telefonate, Radio etc.

Sie wollen lernen angemessen zu kommunizieren? 

Sie wissen nicht wo Sie anfangen sollen?

Darüber hinaus nutze ich in der Arbeit gern das „Dilemma der Kommunikation“. Besonders in missverständlichen Situationen hilft dieses Modell sich auszutauschen und gemeinsam herauszufiltern, ab wann die Unklarheit entstanden ist.

1.Dilemma der Kommunikation 

Sie wollen das, was Sie denken zum Ausdruck bringen. Sicher wissen Sie, dass das, was Sie sagen und das, was Ihr Gegenüber hört, zwei verschiedene Dinge sein können. Es gibt keine Garantie, dass Sie verstanden werden. Falls Sie verstanden wurden, heißt das aber noch lange nicht, dass Ihr Gegenüber einverstanden ist. Außerdem gibt es noch einen Unterschied zwischen einverstanden sein und danach handeln. Wenn danach gehandelt wird und dieses Handeln auch wiederholt wird, könnte eine Beständigkeit einsetzen. Das sind schon einige Schritte, nicht wahr? Versuchen Sie gemeinsam ausfindig zu machen, an welcher Stelle es klemmt.

  • Gedacht ist noch nicht gesagt
  • Gesagt ist noch nicht gehört,
  • gehört ist noch nicht verstanden,
  • verstanden ist noch nicht einverstanden,
  • einverstanden ist noch nicht getan,
  • getan ist noch nicht beibehalten.”

(nach Konrad Lorenz)

2.Sagen Sie doch, was Sie meinen, dann bekommen Sie auch, was Sie wollen.

Beobachten Sie sich: Wie drücken Sie sich aus? Welche Wörter sind überflüssig? Je konkreter und klarer Sie formulieren, desto verständlicher und wirkungsvoller ist die Aussage.

Vermeiden Sie

Versuchen Sie stattdessen

Man

ich, du, wir, Sie

könnte, müsste, sollte

werde, will, möchte

Ich weiß nicht…

Ich werde mich erkundigen, besprechen, klären, prüfen… Dann ich gebe Ihnen Bescheid.

Vergessen Sie nicht…

Bitte denken Sie an…

ehrlicherweise, tatsächlich…

Weglassen! Sind andere Aussagen nicht ehrlich oder tatsächlich?

trotzdem…
Ja, aber…
aber…

und


3. Umgang mit Füllworten

Eine beispielhafte Situation aus dem Alltag einer Kita-Erzieherin:

  • Es ist Montagmorgen, sie will basteln und ihr Klebeband ist alle. Sie geht zur Kollegin, um Klebeband zu erbitten. Ein typischer Satz könnte sein: "Entschuldigung, aber könntest du mir bitte vielleicht ein bisschen Klebeband leihen?"
  • Was bedeutet das "aber" in dem Satz? Es ist eine zweite Entschuldigung: es tut mir leid, dass ich störe, aber es musste sein, da ich unbedingt Klebeband brauche. Der Satz wird klarer, wenn sie das „aber“ streicht. "Entschuldigung, könntest du mir bitte vielleicht ein bisschen Klebeband leihen?"
  • Durch das "vielleicht" wird die Aussage abgeschwächt, „vielleicht“ harmonisiert… Ohne klingt es so: "Entschuldigung, könntest du mir bitte ein bisschen Klebeband leihen?"
  • Und dieses "ein bisschen" könnte sie auch weglassen: "Entschuldigung, könntest du mir bitte Klebeband leihen?"
  • Falls der Bitte nicht nachgekommen wird, hat sie noch das Wort „könntest“ eingefügt. Wir lassen diesen letzten Weichmacher mal weg: "Entschuldigung, kannst du mir bitte Klebeband leihen?

Die Aussage ist verständlich und hat nichts an Bedeutung verloren, sie klingt weder grob noch unhöflich. Die Erzieherin wirkt klar und selbstsicher.

Noch eine Übung:
Probieren Sie es an diesen Sätzen. Formulieren Sie die Sätze einfach um und streichen Worte weg.

Ich sag mal, im Prinzip ist es ja so, dass im täglichen Sprachgebrauch viele Wörter sozusagen ihr Unwesen treiben. Tatsächlich sollten ehrlicherweise unnütze Floskeln verbannt und durch andere Wörter ersetzt werden. Das ist halt nicht leicht.

Viel Spaß dabei!

Und so könnte es klingen: Im täglichen Sprachgebrauch treiben viele Wörter ihr Unwesen. Unnütze Floskeln können verbannt und ersetzt werden. Das ist nicht leicht.

Hier können Sie Ihren Kommentar hinterlassen.

Ihre Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

    1. Vielen Dank, Petra! Es ist wirklich immer wieder bemerkenswert, auf welchen Stufen man so klemmen bleibt. Mal so, mal so… super als Unterstützung und zur Reflexion von schwieriger Gesprächsmomente. UND gut zu wissen, wie menschlich das Ganze ist 🙂 Viele Grüße

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Diese Webseite wurde mit viel Liebe zum Detail erstellt. Von Marketing-Brand.