Grenzen setzen
Durch Begrenzung wird
etwas wertvoll.
Können Sie gut Grenzen setzen? Wir leben heute in einer Welt der Grenzenlosigkeit. Alles ist scheinbar möglich, nicht wahr? Aus meiner Sicht ist das allerdings scheinbar, also ein Schein und äußerst ambivalent. Individualität, Gemeinschaft und Grenzenlosigkeit, wie passt das zusammen? „Individualität bezeichnet im weitesten Sinne die Tatsache, dass ein Mensch oder Gegenstand einzeln ist und sich von anderen Menschen beziehungsweise Gegenständen unterscheidet.“ (Quelle: wikipedia) Das bedeutet, dass wir uns voneinander abgrenzen. Schon, wenn wir „ICH“ sagen. Niemand anders ist dieses „ICH“. Außerdem sind wir soziale Wesen und aufeinander angewiesen. Wenn wir uns nicht hätten, würden wir sterben. Vielleicht nicht so wie vor 10.000 Jahren, aber seelisch verwahrlosen würden wir allemal. Zu einer Gruppe dazuzugehören ist wichtig, wir wollen für und mit anderen agieren und wirken. Ja, wir wollen gemocht werden. Uns ist nicht egal, was andere von uns denken. Deshalb sind wir normalerweise freundlich und bemüht. Das ist grundsätzlich auch ganz prima so. Es ist also wirklich nicht einfach, sich zu orientieren, für die Gemeinschaft da zu sein, mitzuwirken, man selbst zu sein und sich dann noch abzugrenzen.
Aber wie entsteht eigentlich das Problem, keine Grenzen setzen und schwer NEIN sagen zu können?
Wie Sie sich sicherlich wissen, liegt auch hier der Ursprung in unserem Erfahrungsschatz. Das Problem ist zumeist in unserer Kindheit oder Jugend entstanden. Oft sind es Erlebnisse, bei denen uns unsere Fähigkeit zu denken oder zu urteilen abgesprochen wurde. „Das verstehst du nicht.“ „Du weißt gar nichts.“ „Wenn du größer bist, wirst du schon sehen, dass ich Recht habe.“ „Werde erstmal erwachsen.“ Sicher kennen Sie viele solcher Sätze. Ziemlich schnell zweifelt man an sich und beginnt zu glauben, andere wissen es meist oder immer besser. So entstehen innere Konflikte. In jedem Fall lernen wir schon früh, uns entsprechend der Situationen zu verhalten.
Was für innere Konflikte sind das? Hier ein paar Beispiele in ICH Form formuliert. Dann können Sie die, die zu Ihnen passen, besser erspüren. „Mein Leben gehört mir.“ „Ich darf mich ernst nehmen.“ „Ich habe Grenzen.“ „Es müssen mich nicht alle mögen.“ „Ich bin nicht für alles zuständig.“ „Es darf mir richtig gut gehen.“
Wundern Sie sich? Sie klingen alle positiv. Ja so ist das! Doch wenn Sie diese Aussagen genau und sehr ernst nehmen, dann erfordern sie ein hohes Maß an Konsequenz. (Dazu können Sie gern den Blogbeitrag zum Thema Konsequenz lesen.) Vor allem Ihr Verhalten anderen Menschen gegenüber ist hier von Bedeutung.
Viele Menschen verspüren ein großes Unbehagen, wenn sie sich abgrenzen sollen. Wie geht es Ihnen dabei? Haben Sie auch die Sorge, abgelehnt zu werden, sich unbeliebt zu machen oder ausgegrenzt zu werden? Kennen Sie den Gedanken, die Beziehung könnte Schaden nehmen, durch ein NEIN?
Versuchen Sie auch manchmal NEIN zu sagen und es funktioniert irgendwie nicht?
Dann lesen Sie hier die häufigsten Fehler, die beim Grenzen setzen und Nein sagen gemacht werden:
- Sie sagen recht leise, dass sie nicht möchten.
- Sie formulieren unklar und nutzen das Wort „eigentlich“.
- Sie entschuldigen sich, wenn Sie eine Bitte abschlagen.
- Sie rechtfertigen sich und erklären umfangreich.
- Sie erfinden Notlügen.
- Sie hoffen, dass der andere eigentlich merken müsste, dass sie nicht wollen.
Erkennen Sie sich wieder? Wir wissen, dass diese Fehler aus unbewältigten Beziehungserfahrungen stammen. Erstmal sind diese Verhaltensweisen, unsere besten Reaktionsmöglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Wir versuchen lieber, eine vermeintliche Harmonie aufrechtzuerhalten, als in einen Konflikt zu gehen. Klappt auch meistens. Das Ergebnis ist, dass Sie scheinbar gemocht werden. In allen möglichen Zusammenhängen sind Sie gern gesehen, gelten als hilfsbereit, freundlich, kollegial und unkompliziert. Sie haben immer ein gutes Wort. Es gibt keine Klagen. Eine/r muss es ja machen… Sie haben es gelernt, nicht zu enttäuschen, nicht egoistisch zu sein, sondern ein „guter Mensch“. Sie verscherzen es sich nicht, sind sympathisch. Kennen Sie das auch? Falls Sie nicht sicher sind, ich biete auch ein 3h Coaching zum Thema Lebensthema klären an.
Was würde passieren, wenn Sie NEIN sagen?
Wenn Sie genauer darüber nachdenken, wird es logisch, dass nichts Schreckliches passieren wird bei einem NEIN. Andere Menschen sagen ja auch manchmal NEIN und dann schaut man eben nach Alternativen. UND sehr wichtig: Sie haben gesagt, was Sie möchten und es ist sehr gut möglich, dass Sie damit ernst genommen werden.
Aber was passiert, wenn Sie sich keine Grenzen setzen?
- Ihre Bereitschaft wird sehr gern akzeptiert und schnell zum erwarteten Standard.
- Die Hoffnung aufrichtig gemocht zu werden, tritt nicht unbedingt ein.
- Ihre Mitmenschen nutzen Sie (oft unbewusst) aus, nehmen Ihr Entgegenkommen gern an.
- Wenn es um wichtige Entscheidungen oder Meinungen geht, werden Sie gerne übersehen.
- Vielleicht werden Sie als JA – Sager oder Einschleimer gesehen.
- Im Laufe der Zeit verlieren Sie Respekt, werden nicht ernst genommen. (Sie behandeln sich selbst ja auch nicht besonders respektvoll.)
- Sie tun Dinge, die Sie eigentlich nicht möchten, ärgern sich und werden immer gereizter.
- Sie verlieren Kraft, Lust und es besteht die Gefahr, in ein Burnout zu rutschen.
Denken Sie nach:
- Welchen der oben genannten Fehler machen Sie?
- Mit welchen Menschen, machen Sie welche Fehler?
- In welchen Situationen, machen Sie diese Fehler?
- Was bedeutet das für Sie?
- Wo wollen Sie üben, sich ernst zu nehmen und sich abzugrenzen?
Sie wollen lernen sich abzugrenzen, angemessen zu reagieren und NEIN zu sagen?
Machen Sie ein kleines Experiment:
Suche Sie sich eine ruhige Minute und setzen sich bequem hin. Werden Sie ruhig. Atmen Sie. Achten Sie auf Gefühle, Gedanken und Körperreaktionen. Sagen Sie sich folgende Sätze: „Ich kann mich gut durchsetzen.“ „Ich darf meine Meinung sagen.“ Ich darf jederzeit NEIN sagen.“ „Konflikte machen mir keine Angst.“ „Ich kenne meine Grenzen.“ „Ich bin für die Erwartungen anderer nicht verantwortlich.“ „Ich darf andere enttäuschen.“ „Ich muss nichts beweisen.“
Und gab es eine Regung? Egal ob positiv oder negativ, wenn Sie eine deutliche Reaktion feststellen konnten, könnte das ein Hinweis auf ein Thema, einen inneren Konflikt sein. Lassen Sie es nachwirken: Was fällt Ihnen dazu ein? Welches der oben genannten Themen für innere Konflikte könnte passen? Zum Beispiel: Mein Leben gehört mir? oder Es müssen mich nicht alle mögen? (Quelle: Kopp-Wichmann)
Gehen Sie in die Eigenverantwortung
Beobachten Sie Situationen in denen Ihnen abgrenzen und NEIN sagen schwerfällt:
- Lernen Sie sich kennen, verstehen und seien Sie freundlich zu sich selbst.
- Nehmen Sie Ihre Gefühle ernst. Das bedeutet nicht, dass Sie sich immer nach Ihren Gefühlen richten müssen. Es geht darum, dass Sie sich den inneren Freiraum geben, eine eigene Meinung zu haben und dass diese auch zählt.
- Gewinnen Sie Klarheit, über das, was Sie gern möchten. Wenn Sie das wissen, können Sie sich auch leichter abgrenzen.
- Wenn Sie etwas schwierig finden und so nicht möchten, sagen Sie es. Versuchen Sie klar zu formulieren.
- Ein hilfreicher Satzanfang ist hier: „Es beginnt mich zu stören, ….“ Falls Sie sehr unsicher sind, lassen Sie zunächst keine Diskussion zu. Sie haben das Recht, sich Zeit zu nehmen und über mögliche Gegenargumente nachzudenken. Laden Sie den Gesprächspartner ein, auch erst einmal zu hören und sacken zu lassen. Später können Sie wieder ins Gespräch gehen.
- Es gibt so viele Menschen. Sie werden es nicht schaffen, es allen recht zu machen. Lernen Sie damit zu leben, dass Sie nicht jeder mag. Manchmal kann das schmerzhaft sein, aber zumeist wird es nicht so dramatisch sein, wie Sie annehmen. Beobachten Sie, wie es sich anfühlt und ob es Konsequenzen hat.
- Wenn jemand zu Ihnen sagt: Das geht nicht! Denken Sie daran, es sind seine Grenzen nicht Ihre.
- Nur Sie können Ihre eigenen Grenzen setzen. Andere werden das nicht tun. Sie kennen Ihre Grenzen nicht. Also sind Sie selbst verantwortlich dafür.
Kleine Übung zum Spüren der eigenen Grenzen:
Achten Sie bei Alltagstätigkeiten auf Ihre Grenzen, auch auf Ihre körperlichen! Spüren Sie achtsam nach und versuchen Sie sich abzugrenzen.
Beim Essen: Wann stellt sich ein Sättigungsgefühl ein?
Beim Fernsehen: Wann ist der Inhalt des Geschauten eigentlich gar nicht interessant oder wertvoll für Sie?
Beim Zusammensein mit anderen Menschen: Wann ist Ihnen etwas zu viel?
Wo könnten Sie noch üben? Teilen Sie doch bitte Ihre Ideen hier in den Kommentaren.
Am Ende noch ein interessanter Gedanke: Ich habe immer Menschen bewundert, die klar und deutlich gesagt haben, was oder wie sie es wollten, die sich abgrenzen konnten. Das war manchmal auch nicht so toll für mich, aber es war deutlich und letzten Endes habe ich mich sicher gefühlt. Diesen Menschen war/bin ich zugeneigt. Und Sie, wie ist das bei Ihnen?
Denken Sie daran, durch Ihre Grenzen werden Sie wertvoll!
Wie immer freue ich mich über ein Feedback zu diesem Beitrag und ein reges Gedankenkramen mit Ihnen.
Alles Gute!
Ihre Aline Kramer
Danke für die realitätsnahen Beispiele. Gut zum „Üben“.
Das Nein fällt mir bisher auch schwer… Ich probiere es jetzt aus!
Liebe Grüße
Dann drücke ich die Daumen!! Mit eher leichten Situationen anfangen macht übrigens mehr Spaß, weil es erfolgversprechender ist… und dann kann man sich steigern ? Ich bin gespannt und freue mich über Berichte…